(Die endgültige Antwort steht noch aus …)
[f"Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“ Zur Aufklärung: dieses Sprichwort ist eine"Zitatleiche“![/f]
(aus der FAZ vom 3. April 2012 von Gerhard Stadelmaier)
In Friedrich Schillers Drama "Verschwörung des Fiesco zu Genua“, dritter Akt, vierter Auftritt. Muley Hassan ("ein konfiszierter Mohrenkopf, die Physiognomie eine originelle Mischung von Spitzbüberei und Laune“) hat soeben dem Fiesco, Grafen von Lavagna ("junger, schlanker, blühend-schöner Mann, stolz mit Anstand“), etliche Intrigen enthüllt und Spitzel- und Spitzbubendienste geleistet und hofft jetzt auf Belohnung. - Doch Fiesco meint nur: "Kerl, du verdientest einen eigenen Galgen, wo noch kein Sohn Adams gezappelt hat. Geh ins Vorzimmer, bis ich läute.“ Darauf grummelt Muley Hassan: "Der Mohr hat seine Arbeit getan, der Mohr kann gehen.“
So steht es im Drama
Nichts da von "Schuldigkeit“. Gurgeln abschneiden und Giftpülverchen abfangen und Verleumdungsbriefchen austragen und Dolche im Gewande führen - das hat nichts mit "Schuldigkeit“ zu tun. Sondern mit Arbeit! Schillers Mohr ist niemandem etwas schuldig (es sei denn der Hölle). Schillers Mohr schafft was. Und zwar mit Freude und Lust!
Mein Beitrags-Titel fiel mir sofort ein, als ich beschloss über diese nun folgende "Weihnachts-Story“ zu berichten:
Im Ulmer Münster fehlt in diesem Jahr die Krippe mit den "Heiligen Drei Königen“! Eigentlich sind sie aus einer Weihnachts-Krippe nicht wegzudenken. Der aktuelle Grund "Melchior“, der als "Schwarzer König“ dargestellt ist - nicht zuletzt angeregt durch die Black-Lives-Matter-Proteste und das gestiegene Feingefühl für solche Sachverhalte – verkörpert das Kolonialrassistische. Ähnliche Kritik müssen sich auch zur Zeit Sternsinger "mit schwarz angemalten Gesichtern“ gefallen lassen, die den Melchior (in anderen Gegenden ist es aber auch "Caspar“) porträtieren wollen.
Die "Heiligen Drei Könige“
In der katholischen Kirche werden sie als Heilige verehrt und gefeiert, ihr Hochfest ist das Fest der Erscheinung des Herrn (Epiphanie) am 6. Januar - in Deutschland (Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen-Anhalt) ein regionaler (gesetzlicher) Feiertag, aber auch in den evangelischen Kirchen(!) wird diesen "Weisen“ gedacht. In den orthodoxen Kirchen (julianischer Kalender) ist ihr Fest dagegen zusammen mit Weihnachten um den jeweiligen 7. Januar.
Geschichtliches
An den "Heiligen Drei Königen" ist vieles Volksglaube und Hinzudichtung. Denn die Angaben der Bibel sind spärlich (Matthäus 2, 1-12). Es waren weder Könige, noch explizit drei! Es waren wahlweise Sterndeuter oder Magier und sie kamen alle aus Ländern des heutigen Nahen Osten. Einzelheiten zu den Gestalten entstanden erst nach und nach. Nach einigen Jahrhunderten war von drei Königen die Rede - im sechsten Jahrhundert bürgerten sich in Westeuropa die Namen Caspar, Melchior und Balthasar ein. Erst ab dem späten Mittelalter verbreitete sich die Darstellung sie seien Vertreter der damals bekannten Erdteile Europa, Asien und Afrika – folglich war ein "König“ ein "Schwarzer“.
Was tut die Ulmer Münster Gemeinde?
Das evangelische Dekanatamt Ulm will jetzt im neuen Jahr mit seinen Gemeindemitgliedern öffentlich durch verschiedene Veranstaltungen und Versammlungen über das weitere endgültige Vorgehen diskutieren.
Die Bildergalerie:
Bildergalerie Bild 1/Aufmacherbild - Ulmer Münster, “Die verbannten Heiligen Drei Könige (Caspar, Melchior und Balthasar)“, ab 1992 - Im Zentrum steht die Figur des "Königs Melchior“ mit den weiteren "Königen Caspar und Balthasa“. "Die Holzfigur des Melchior ist etwa mit seinen dicken Lippen und der unförmigen Statur aus heutiger Sicht eindeutig als rassistisch anzusehen“, begründet der Dekan der evangelischen Münstergemeinde, Ernst-Wilhelm Gohl, die Entscheidung: Verbannung. Übrigens: Als der Grundstein des Ulmer Münster gelegt wurde, gab es weder Katholiken noch Protestanten. Als evangelisches Gotteshaus wurde das Ulmer Münster anerkannt, weil die Bürger im Jahr 1530(!) demokratisch darüber abstimmten.
Interessant ist noch: Eine echte Heiligsprechung hat es für die (heiligen) Könige nie gegeben. Sie sind heute fast jedem bekannt, obwohl es in der Bibel nur eine einzige Textstelle (Matthäus-Evangelium) dazu gibt. Je nach Übersetzung wurde von "Weisen“ oder "Magiern“ gesprochen, ab dem dritten Jahrhundert wurde von Kirchengelehrten dann der Ausdruck "Könige" gebraucht. Auch ihre Anzahl stand zunächst nicht fest, die Zahl "drei" wurde vermutlich von der Anzahl der Geschenke (Gold, Weihrauch, Myrrhe) abgeleitet.
Bildergalerie Bild 2 - Giotto di Bondone, "Anbetung der Könige“, Fresko in der Scrovegni-Kapelle in Padua, um 1305 - Besonderheit: "mit einer Kometen-Darstellung“. Der Künstler ist bekannter als "Giotto“ und war ein italienischer Maler und Baumeister - er gilt als Wegbereiter der italienischen Renaissance.
In der Bibel, im Matthäus-Evangelium, im Kapitel 2 ist zu lesen: "Als Jesus ... geboren war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“ Dazu gibt es unterschiedliche Theorien: Manche meinen, ein heller Komet oder eine Supernova-Explosion habe am Himmel gestanden oder es sei eine ungewöhnliche Planetenkonstellation gewesen - 7 vor Christus standen Jupiter und Saturn dicht beieinander (die heutige aktuelle Meinung).
Bildergalerie Bild 3 - Sandro Botticelli, "Anbetung der Heiligen Drei Könige“, Tempera auf Holz, um 1475 - Uffizien, Florenz - Besonderheit: Die Person rechts außen gilt als Selbstbildnis des Künstlers.
Bildergalerie Bild 4 - Mosaik aus dem 6. Jahrhundert (Basilica Santa Apollinare Nuovo, Ravenna), "Balthasar, Melchior, Caspar mit phrygischen Mützen“ - diese Tracht ähnelt der Kleidung sassanidischer Priester.
Bildergalerie Bild 5 - Meister von Meßkirch, "Die Anbetung der Heiligen Drei Könige (ein Afrikaner als König)“ - Detail aus der Mitteltafel des ehemaligen Hochaltars von St. Martin in Meßkirch, um 1538.
Bildergalerie Bild 6 - El Greco, "Die Anbetung der Könige“, 1568.
Bildergalerie Bild 7 - Ulmer Münster, Figuren der Weihnachtskrippe von 1920 - Die Familie Mößner beauftragte 1920 den Ulmer Künstler Martin Scheible eine Krippe zu schnitzen. Nachfahren übergaben dann die Krippenfiguren dem Ulmer Münster 1992 (vor diesem Jahr besaß das Ulmer Münster keine Krippe!).
Bildergalerie Bild 8 - Vitrine mit diesem Texthinweis: "Ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte um den Melchior in der Krippe des Ulmer Münster“.
Bildergalerie Bild 9 - Dreikönigs-Schrein im Kölner Dom - Der Dreikönigs-Schrein im Kölner Dom ist ein als Goldschmiedearbeit hergestelltes Reliquiar, das aus der Zeit Ende des 12. Jahrhunderts stammt.
Links:
(Heilige Drei Könige)
https://www.katholisch.de/artikel/20...rei-koenige
(Mohr)
https://de.wikipedia.org/wiki/Mohr
(Weihnachtskrippe)
https://de.wikipedia.org/wiki/Weihnachtskrippe
(Dreikönigs-Schrein)
https://de.wikipedia.org/wiki/Dreik%...igenschrein
(Ulmer Münster)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ulmer_M%C3%BCnster
Map-Data: Ulmer Münster - Vitrine mit den 3 Königen unter dem Friedensfenster von Thomas Kuzio - Münsterplatz 21, 89073 Ulm
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