Zum "Weltfrauentag am Sonntag, dem 8. März und dem Stichwort “Künstlerin“ fällt mir jetzt spontan die(!) Persönlichkeit "Leonor Fini“ ein. Ihr Erscheinen, ihr Leben und ihr künstlerisches Werk ist es eben wert heute besprochen zu werden - ich will dieses tun!
Schon seit über 100 Jahren wird der "Internationale Frauentag“ (teilweise auch Weltfrauentag, Frauenkampftag, Frauenwelttag oder Frauentag genannt) am 8. März des jeweiligen Jahres "gefeiert“. Die Frauen demonstrieren (nicht nur an diesem Tag) weltweit für Gleichberechtigung und gegen die Diskriminierung des weiblichen Geschlechtes. Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts plädierten die Frauen- und Arbeiterinnenbewegungen für einen Tag, an dem sich Frauen landes-, bzw. weltweit für Gleichberechtigung, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen für Frauen sowie für ein Frauenwahlrecht und gegen Diskriminierung einsetzen. Die deutsche sozialistische Politikerin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin schlug am 27. August 1910 auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen, die Einführung eines "internationalen Frauentages“ vor.
So eine phänomenale Person
Die extravagante Künstlerin Leonor Fini ließ sich zur Entwicklung ihres eigenen künstlerischen Stiles (eine unverkennbare Bildsprache) von zahlreichen historischen Vorbildern und einer Vielzahl von Künstlern inspirieren – (Von Hieronymus Bosch, dem italienischen Manieristen Agnolo Bronzino ebenso wie von Gustav Klimt, Egon Schiele und Giorgio de Chirico).
Leonor Finis Affäre mit dem deutschen Maler Max Ernst brachte sie in Kontakt mit den Surrealisten. Deren Wortführer Andre Breton wollte die Malerin zur "Gruppe“ holen - doch sie hielt Distanz. Noch im hohen Alter von 75 Jahren wehrte sie sich gegen ihre Zuschreibung zum Surrealismus. Leonor Fini erzählte dazu: "Ich habe gekannt ein paar Surrealisten. Aber ich habe dieses Diktat nicht geliebt. Ich wollte dieses Diktat nicht haben. Es war wie eine Religion, und das hat mir nicht gefallen. Ich habe ein paar Freunde dort gehabt“.
Aber doch, im Jahre 1937 siedelte Leonor Fini - der surrealistischen Kunst wegen - um nach Paris. Hier stellte sie dann erfreut fest, dass sie sich in den Schriften Sigmund Freuds, Franz Kafkas und Friedrich Nietzsches besser auskannte als viele Künstler der Surrealisten-Gruppe. Sie lenkte den "Surrealismus“ in eine neue Richtung durch ihr Interesse an Psychoanalyse, Philosophie, Mythologie und Zauberei. Ihr Fokus lag auf der Frau als "sinnlich-sexuelles Wesen, das oft auch in Gestalt einer grausamen Domina oder eines Raubtieres auftrat“!
Sphinx (maskulin oder feminin?)
Die männliche Surrealisten griffen häufig Themen der griechischen Mythologie auf: beliebt war die Geschichte von "Ödipus“. Und so ist es naheliegend, dass Leonor Fini die dort erwähnte "Sphinx“ wiederholt als Motiv malte. Ihre Darstellungen unterschieden sich von der der männlichen Surrealisten, denn ihre Sphinxe erschienen "allmächtig“ und der "ödipale Mann“ war ein nach Lust und Laune zu benutzendes "Spielzeug“ (Bildergalerie Bild 4).
Leonor Fini sah in der Sphinx die perfekte Verschmelzung beider Geschlechter. Sie ist ein Wesen, halb Frau, halb Löwin und versinnbildlicht männliche und weibliche Merkmale. Sie identifizierte sich deshalb mit der Sphinx, weil sie sich selbst als ein "Zwitterwesen“ (Biografie!) empfand.
Die männlichen Akte in ihren Sphinx-Bildern sind oft schlafend dargestellt, dazu Leonor Finis Zitat: (weil) "Männer durch die Verpflichtungen von Arbeit, Gesellschaftsleben und Krieg unempfänglich sind für ein Leben des Geistes“!
Nun zur Biografie:
Zeit ihres Lebens fühlte sich Leonor Fini von femininen Männern und androgynen Frauen angezogen.
Leonor Fini wurde am 30. August 1907 in Buenos Aires/Argentinien geboren (dazu andere Angaben: 3. August 1908; 30. August 1908) und war "französische Malerin“ mit argentinisch-italienischer Herkunft, ihr Kosename: Minsky.
Der New Yorker Galerist Julien Levy beschrieb Leonor Fini so: "(...) keine schöne Frau; ihre Körperteile passten nicht so recht zusammen: Der Kopf einer Löwin, der Verstand eines Mannes, die Brust einer Frau, der Rumpf eines Kindes, die Anmut eines Engels und eine Zunge wie der Teufel… - Ihre Faszination lag in der Fähigkeit, so über diese unstimmigen Körperteile zu verfügen, dass sie sich zu jeglicher Form arrangierten, die ihre Fantasie ihr von einem Augenblick auf den nächsten eingab“.
Die Künstlerin wurde 1907 als Tochter des Kaufmanns Emmanuel Fini in Buenos Aires geboren. Ihre Mutter kehrte kurz nach der Geburt des Kindes zurück in ihre Heimatstadt Triest. Das Mädchen, das zum Zankapfel ihrer Eltern wurde, war ungewöhnlich eigensinnig. Leonor Fini war als Kind äußerst phantasievoll und freiheitsbewusst und galt schließlich wegen Aufsässigkeit bei allen Schulen Triests als nicht unterrichtbar(!). Als Jugendliche las sie sich im Selbststudium durch die Bibliothek ihres Onkels und setzte selbständig ihre Studien fort, besuchte Museen und fand sogar selbst einen Lehrer, der zu ihr passte. - Nie verlor sie ihre Freude am Zeichnen und Malen, experimentierte mit Farben und organischen Stoffen, die sie in die Bilder integrierte. Eine akademische Ausbildung bekam sie also nicht!
"Dieser Mann war ein Mann, der in Triest wohnte, eine Stadt, die sehr seltsame Leute hat. Ich habe ihn gekannt, als ich 13 Jahre war. Und er war erstaunt, dass ich schon gut zeichne, und dass ich sehr offen war gegenüber der Kultur. Ich sah ihn jeden Tag, und er hat mich alle die romantische Literatur lesen lassen, Nietzsche ... Er war für mich sehr wichtig!“
Erst einmal Mailand (1925)
Bis zum Ende der zwanziger Jahre wohnte Leonor Fini in Mailand, wo sie erste Porträtaufträge erhielt, an Ausstellungen teilnahm und sich u.a. mit den Malern Carlo Carra und Giorgio de Chirico anfreundet.
In den 1930er Jahren gehörte Leonor Fini zu den Stars der Pariser Kunstszene. Ihre extravagante Erscheinung, ihr unabhängiges Auftreten, ihre hyperrealistischen Gemälde sorgten für großes Aufsehen.
Im Jahre 1937, zog dann Leonor Fini nach Paris, wo sie während einer Affäre mit Max Ernst die Surrealisten kennenlernte: Sie "verkehrte“ mit Künstlern wie Man Ray, Salvador Dali, George Bataille und Andre Pieyre de Mandiargues. Allerdings wusste sie mit dem surrealistischen Vordenker Andre Breton und seinen dogmatischen Manifesten nichts anzufangen und verzichtete darauf, sich der Bewegung anzuschließen. An dieser Abneigung hielt sie ein Leben lang fest - noch mit 75 Jahren wehrte sie sich dagegen, als "Surrealistin“ bezeichnet zu werden.
In den 1940er Jahren hielt sich Leonor Fini überwiegend in Monte Carlo auf, wo sie zahlreiche Porträts von wichtigen Persönlichkeiten schuf, darunter Jacques Audiberti, Jean Genet, Anna Magnani und Suzanne Flon. In Monte Carlo lernte sie den italienischen Konsul Stanislao Lepri kennen, der sich der Malerei zuwandte und bis zu seinem Tod ihr Lebensgefährte blieb.
Ab 1943 setzte mit der Arbeit zu Mandiargues Buch "Dans les Annees sordides" ihr Werk als Illustratorin ein, in dem sie eine Vielzahl von Buchillustrationen beispielsweise zu Werken von Oskar Panizza, de Sade, Charles Baudelaire oder William Shakespeare schuf. Mit der Arbeit an Bühnenbildern und Kostümen für das Ballett "Le Palais de Cristal" von George Balanchine für die Pariser Oper begann Leonor Finis Arbeit für Theater, Ballett und Oper, die sie für den Rest ihres Lebens begleitete. Unter den Stücken, die sie künstlerisch umsetzte, waren unter anderem Wagners "Tannhäuser (1963)", "Lucrecia Borgia" von Victor Hugo (1964) oder "Le balcon" von Jean Genet (1969).
Nach dem Zweiten Weltkrieg verbrachte Leonor Fini schwierige Jahre in Mailand und Rom und - kehrte wieder nach Paris zurück. Hier "erregte" der junge Ernst Fuchs, der zeitweise in Paris lebte, ihre Aufmerksamkeit.
Nach 1946 hatte Leonor Fini Baudelaires Gedichtsammlung "Les Fleurs du Mal“ illustriert und für die Pariser Oper sowie für die "Comedie Francaise" Kostüme und Bühnenbilder entworfen. Für die nach wie vor produktive Malerin begeisterte sich seit den 1960er Jahren kaum jemand mehr.
Leonor Fini starb am 18. Januar 1996 mit 87 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung in Paris. Bis zu ihrem Tod, am 18. Januar 1996, hatte Leonor Fini nahezu vergessen in Paris gelebt und gearbeitet – umgeben von ihren Katzen, denen sie sich bis zuletzt näher fühlte als den Menschen. Ihre Werke sind in so renommierten Museen wie der Londoner Tate Modern und dem Centre Georges Pompidou in Paris zu sehen.
Zur Persönlichkeit der Leonor Fini
Durch und durch ist Leonor Fini eine Exzentrikerin, sie entwickelte einen eigenen Bilderkosmos, der aus romantischen, philosophischen und eben surrealistischen Elementen gespeist wurde. Sie posierte eng umschlungen mit dem Dichter Andre Pierye de Mandiargues nackt vor der Kamera des berühmten Fotokünstlers Henri Cartier-Bresson.
Stil und Tod
Leonor Fini entwickelte einen eigenen Bilderkosmos, der aus romantischen, philosophischen und eben surrealistischen Elementen gespeist wurde. Sie posierte eng umschlungen mit dem Dichter Andre Pierye de Mandiargues nackt vor der Kamera des Fotokünstlers Henri Cartier-Bresson. - Viele ihrer Gemälde handeln von erotischen Phantasien und dem Tod. Leonor Finis Schaffen fand bereits zu Lebzeiten hohe internationale Beachtung. Als Porträtmalerin, Illustratorin, Bühnenbildnerin und Kostümkünstlerin ist Leonor Fini höchst gefragt. Die Künstlerin liebte es, sich als androgyne Kunstfigur in reicher Kostümierung zu inszenieren. Die phantastische Welt ihrer Bilder versetzt den jeweiligen Betrachter in Landschaften, die von sprechenden Tieren, androgynen Mischwesen, mythischen Gestalten, merkwürdigen Plätzen und Begebenheiten gekennzeichnet sind.
Leonor Finis Gesamtwerk
Zeit ihres Lebens fühlte sich Leonor Fini von femininen Männern und androgynen Frauen angezogen. Sie greift immer wieder in obsessiver Weise das Bild der "Femme fatale“ auf porträtiert ihre Freundinnen und sich selbst mit Löwenmähne, Fin-du-Siecle-Gewändern und einem kühnem Medusenblick. Auch handeln viele ihrer Gemälde von erotischen Phantasien und dem Tod.
Zur Bildergalerie:
Bildergalerie Bild 1/Aufmacherbild - Leonor Fini, "Das Ende der Welt“, 1949 - Hier tritt die Sphinx von Schädeln umgehen in "universeller" Erscheinung. auf.
Bildergalerie Bild 2 - Leonor Fini, "Selbstporträt mit Skorpion", 1938 - Die Künstlerin .stellt sich in einem hochgeschlossenen Kleid dar, es klaffen an den Ärmeln Risse in Form einer Vulva, aus einem weißen Handschuh ragt der giftige Schwanz eines Skorpions.
Bildergalerie Bild 3 - Leonor Fini, "Dans la Tour (Im Turm)", 1952 -
Das Bild entstand, als sich die Malerin und ihre beiden Liebhaber, Stanislao Lepri und Konstanty Jelenski, in Torre San Lorenzo in Italien aufhielten. Zeigt hier die Künstlerin dem nackten Jüngling "Jelenski" ein erotisches "Verlies"?
Bildergalerie Bild 4 - Leonor Fini, "Erdgottheit, die den Schlaf eines Jünglings bewacht“ 1946 - mehr Infos in Abschnitt "Sphinx".
Bildergalerie Bild 5 - Leonor Fini, "Sphinx: Ilaria", 1975 - auch weiteres in Abschnitt "Sphinx".
Bildergalerie Bild 6 - "Little Hermit Sphinx", 1948 - In deutsch "Die kleine Einsiedler-Sphinx" ist ein Selbstporträt, und symbolisiert Leonor Finis Geisteszustand nach dem Trauma ihrer Operation (Hysterektomie - operative Entfernung der Gebärmutter). Die Künstlerin malte eine menschliche Lunge ... wegen der schönen rosa Farbe und verschärft die Atmosphäre der Angst.
Es ist ein Schlüsselwerk und ein schwierig zu interpretierendes Bild . Es zeigt die offene Tür eines heruntergekommenen und überwucherten Gebäudes mit abblätternden Anstrichen und verlassenen Möbeln. Die Szene ist irgendwie beunruhigend. Die Schwelle zeigt ein inneres Organ (als menschliche Lunge zu identifizieren) und das am Türrahmen hängt. Zwischen Blättern, Knochen, einem Vogelschädel und einer zerbrochenen Eierschale hockt "die Sphinx", die einen schwarzen Umhang trägt und eine katzenartige Pfote zeigt.
Bildergalerie Bild 7 - Leonor Fini, "Fünf Katzen", 1980 - Leonor Fini fühlte sich in den letzten Parisjahren nahezu vergessen - aber sie war umgeben von ihren Katzen, denen sie sich bis zuletzt näher fühlte als den Menschen.
Bildergalerie Bild 8 - Leonor Fini, "Die Metamorphose einer Frau", 1987 - Der Begriff "Metamorphose" stammt aus dem Griechischen, er bedeutet “Verwandlung” und man findet ihn in der Biologie und der Mythologie bzw.der Sagenwelt. Zu sehen ist hier ein altarmäßiges Tafelbild mit einer weiblichen Modenschau des Todes.
Bildergalerie Bild 9 - Leonor Fini, "Anonym", 1938 - Der Titel des S/W-Fotos "anonym" bezeichnet das gewollt unerkannte Auftreten einer Person, sei sie prominent oder nicht. Dazu lassen sich noch so "Reiz"worte wie: Pose, Reiz, Sex, Maske, Mode, Laster & Weiblichkeit gesellen.
Links:
(Leonor Fini - Biografie)
https://www.fembio.org/biographie.ph...eonor-fini/
(Sphinx)
https://de.wikipedia.org/wiki/Sphinx
(Surrealismus)
https://de.wikipedia.org/wiki/Surrealismus
(Surrealismus in Paris)
https://www.fondationbeyeler.ch/auss...us-in-paris
(Ausstellung: Fantastische Frauen)
https://schirn.de/fantastischefrauen/digitorial/
Map-Data: Foundation Beyeler, "Surrealismus in Paris (2. Oktober 2011 bis 29. Januar 2012“, Baseler Straße 101, CH-4125 Riehen/Basel - Nach COVID-Massnahmen des Bundes Fondation Beyeler bis voraussichtlich 28. Februar 2021 temporär geschlossen.
13 Kommentare