Ich habe in den Schulferien selbst noch Zeitungen ausgetragen. Und ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie sich meine Kunden beschwert haben, wenn sie nicht rechtzeitig zum Frühstück serviert wurde. Damals - 1990er-Jahre des letzten Jahrhunderts - war die Zeitung noch was, nämlich neben dem Fernsehen Hauptinformationsquelle für die Leute im Land.
Doch die Zeiten sind andere. Wir schreiben das Jahr 2019. Informationen sind längst für jeden im Internet verfügbar, teils sekundenaktuell. Da wirkt die Zeitung manchmal wie Resteessen vom Vortag. Die Leute schauen auf dem Weg zur, in und von der Arbeit zurück nach Hause in ihre Smartphones. Fürs Zeitunglesen ist in der U-Bahn doch gar kein Platz.
Selbst altehrwürdige Zeitungsverlage haben reagiert, beschäftigen Audience Development und Content Manager, polieren ihre Nachrichten-Apps, gehen quasi mit der Zeit, sammeln Leser über soziale Medien oder Google ein, auch wenn sie deren marktbeherrschendes Gebaren gerne öffentlich kritisieren und Einhalt fordern.
Verleger schreiben ihren Abgeordneten
Nun musste ich heute bei der Meldung des "NDR" laut lachen. Dort heißt es: "Nachdem Zeitungsverlage immer lauter Alarm geschlagen haben, dass sich das Austragen gedruckter Exemplare vor allem auf dem Land kaum noch finanzieren lässt, steht offenbar politische Hilfe kurz bevor. Abgeordnete unterschiedlicher Fraktionen rechnen damit, dass die Bundesregierung noch in den laufenden Beratungen über den Haushalt für das kommende Jahr vorschlagen wird, ein Millionen-Budget für die Förderung der Zeitungszustellung freizugeben."
Und weiter: "Verleger aus dem gesamten Bundesgebiet haben die Abgeordneten ihrer Region angeschrieben und um eine positive Haltung für die 'aktuell im Bundestag anstehenden Beratungen über eine Infrastruktur-Förderung von Zeitungsverlagen' gebeten - obwohl das Thema den Bundestag offiziell noch gar nicht erreicht hat."
Gezahlt werden solle nach Auflage.
Geht's eigentlich noch?
Was kommt als Nächstes? Die Subventionierung von Lieferdiensten, weil die Leute brauchen ja was zu essen - und auf dem Land machen immer mehr Gaststätten dicht? Oder von Pferdekutschen, weil haben Sie auf dem Dorf schon mal ein Taxi angehalten?
Ich verstehe den Wunsch nach weiteren Einnahmequellen der Verleger gut. Schon immer guckten sie neidisch etwa auf die Öffentlich-Rechtlichen, die zusätzlich zu den Werbeeinnahmen noch die Gebühren on top bekommen. Da ist doch ein bisschen Subvention für die Zustellung ihrer analogen Produkte auf Holzbasis nur gerecht. Und was sind schon die paar Millionen im Gegensatz zu den paar mehr Millionen, die im Maut-Debakel versenkt wurden?
Lasst uns auf die Vergangenheit besinnen! Gerne. Aber lasst uns bitte im Hier und Jetzt leben und die normative Kraft des Faktischen anerkennen. Da lobe ich mir die Stimme der Vernunft in Person von Margit Stumpp, ihres Zeichens medienpolitische Sprecherin der Grünen: "Eine Subventionierung der Verlage mit der Gießkanne über eine staatliche Unterstützung bei den Zustellungskosten ist für uns aber ein zweifelhafter Weg", sagte sie dem "NDR"-Medienmagazin "Zapp".
Und lassen Sie mich dies am Ende bitte noch ergänzen: Zweifelhaft ist noch untertrieben.
1 Kommentar