Jeder zweite Deutsche fürchtet sich vor der Altersarmut. Das ergab eine jüngst veröffentlichte Umfrage der Deutschen Bank. Nur 17 Prozent der 3200 Befragten im Alter von 20 bis 65 Jahren erwarten demnach eine ausreichende Versorgung über die gesetzliche Rente im Alter. 70 Prozent glauben, dass aus dieser Quelle nur eine Grundversorgung kommen wird, wie "zeit.de" berichtet. Und gut die Hälfte der Befragten (54 Prozent) rechnet mit dem Kollaps des gesetzlichen Rentensystems.
Deutsche werden nur 52 Prozent des Nettoeinkommens haben
Und tatsächlich haben Menschen in Deutschland, die 2018 zu arbeiten beginnen, nach Berechnungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) im Alter im Schnitt nur 52 Prozent ihres früheren Nettoeinkommens zur Verfügung, wenn man allein obligatorische Abgaben als Grundlage nimmt. OECD-Schnitt ist 63 Prozent.
Niederländern bringt Rente 80 Prozent - und mehr
Bei unserem Nachbarn Niederlande liegt die Quote bei 80 Prozent (ohne private Vorsorge), teilweise bekommen die Menschen dort sogar eine höhere Rente als ihr letztes Netto-Einkommen war. Die Altersarmut ist mit 3,1 Prozent eine der niedrigsten in den Industriestaaten. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Quote bei 9,6 Prozent, für Frauen sogar bei 10,6 Prozent.
Was machen die Niederländer anders? Ein Vergleich.
Die Altersvorsorge besteht in den Niederlanden im Wesentlichen aus zwei Säulen: der Grundrente, die mindestens 1200 Euro beträgt, und der betrieblichen Vorsorge. Die private Vorsorge macht einen sehr geringen Teil aus – da die anderen beiden Bestandteile das Einkommen im Alter für Arbeitnehmer sichern.
SÄULE 1 - GRUNDRENTE: Niedrige Renten gibt es in den Niederlanden nicht.
- Jeder hat Anrecht auf die Grundrente, "Algemene Ouderdomswet" (AOW) genannt, sobald er länger als ein Jahr in den Niederlanden gelebt und das staatliche Rentenalter (derzeit fast 67 Jahre) erreicht hat. Volles Anrecht auf die Absicherung erreicht er nach 50 Jahren, bei geringerer Zeit werden entsprechend Prozente abgezogen. Die Rente wird unabhängig vom Vermögen ausgezahlt und unabhängig davon, ob und wie viel gearbeitet wurde - so fallen Erziehende nicht durchs Raster.
- Sie beträgt bei Alleinstehenden bei vollem Anspruch 70 Prozent des Mindestlohns, Paare bekommen jeweils 50 Prozent. Aktuell erhält ein Alleinstehender gut 1200 Euro im Monat brutto, netto wegen Abzügen für die Krankenversicherung etwa 1150 Euro.
- Finanziert wird sie über einen Steuerzuschuss sowie über die Rentenbeiträge, die bei 18 Prozent liegen – und anders als in Deutschland allein vom Arbeitgeber getragen werden.
VERGLEICH: In Deutschland erhalten Arbeitnehmer abhängig davon, wie lange und wie viel sie in die Rentenkasse eingezahlt haben, einen monatlichen Beitrag.
- Da dieser Beitrag nicht immer das Existenzminium abdeckt, gibt es die Grundsicherung, die die Ausgaben für Nahrung und Wohnung deckt und damit in etwa dem Hartz-IV-Satz entspricht. Vor Bezug wird das Vermögen des Antragstellers überprüft wie auch das von Partnern oder Kindern - gegebenenfalls müssen sie für den Antragsteller aufkommen.
- Neu ist die Grundrente für Menschen, die 35 Jahre lang in Rentenkasse eingezahlt, Kinder großgezogen oder Verwandte gepflegt haben und dennoch kaum von den Bezügen leben können: Sie werden nach einem Beschluss der Koalition ab 2021 eine Grundrente bekommen, die 10 Prozent über dem Existenzminimum liegt (Maximum 1250 Euro für Ledige und 1950 Euro für Paare). Per automatisierter Einkommensprüfung wird kontrolliert, ob sie ein Anrecht darauf haben.
- Den Rentenbeitrag in Höhe von derzeit 18,6 Prozent teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zusätzlich stützt die Bundesregierung die Rentenkasse mit etwa einem Drittel der Steuereinnahmen.
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SÄULE 2 – BETRIEBLICHE ALTERSVORSORGE: In den Niederlanden ist sie für Arbeitnehmer nicht verpflichtend, dafür ist für Unternehmen die Beteiligung an den Fonds obligatorisch. Somit ist die betrieblich Altersvorsorge gängiger Teil des Lohns – rund 90 Prozent aller Niederländer zahlen in Pensionsfonds ein, wobei sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Anteile paritätisch teilen. "Mit steigendem Einkommen steigen auch die Beiträge", erklärt der Ökonom Theo Kocken der "Zeit". "Wer also lange – und viel – eingezahlt hat, kommt mit der zweiten Säule oft sogar auf ein Einkommen im Alter, das oberhalb des durchschnittlichen Nettogehalts in der Erwerbsphase lag.“"
VERGLEICH: Erst seit einem Urteil aus diesem Jahr sind Arbeitgeber hierzulande verpflichtet, sich an der Betriebsrente zu beteiligen: mit mindestens 15 Prozent. Davor war ein Zuschuss freiwillig. Nach Einschätzung von Experten der Verbraucherzentralen NRW und Bayern wird eine Betriebsrente allerdings erst attraktiv, wenn das Unternehmen mindestens 30 bis 40 Prozent übernimmt. Dabei klingt das Modell zunächst attraktiv: Arbeitnehmer verzichten auf einen Teil ihres Bruttogehalts, das Geld fließt in einen Versicherungsvertrag, den der Arbeitgeber für sie abschließt (bei Großkonzernen gegebenenfalls zu verbesserten Konditionen) – noch vor Steuern und Sozialabgaben. Der Haken: Steuern fallen bei Rentenauszahlung an, so dass netto ein ordentlicher Batzen wegfallen kann. Ob sich die Entgeltumwandlung wirklich als Altersvorsorge lohnt, ist nach Expertenrat im Einzelfall genau zu prüfen.
Vorbild "Cappuccino-Modell"
Die private Vorsorge fällt in den Niederlanden vergleichsweise gering aus, weshalb des Öfteren auch vom Cappuccino-Modell die Rede ist: Der Espresso ist die Grundsicherung, die aufgeschäumte Milch die Betriebsrente und das Kakaopulver die private Altersvorsorge. "Wir haben also viele gut abgesicherte Rentnerinnen und Rentner in den Niederlanden. Und das dürfte auch erklären, warum es bei uns keine Neid- oder Gerechtigkeitsdebatten über die staatliche Basisrente gibt", so Ökonom Kocken.
Renteneintrittsalter steigt
Kein Wunder, dass Experten – sowohl von Arbeitgeber- als auch von Arbeitnehmerseite – das Rentenmodell in den Niederlanden gut bewerten. Dennoch wird die Finanzierung der Grundrente schwieriger, weshalb auch in den Niederlanden steigt das Rentenalter: von derzeit 66 Jahren und vier Monaten auf 67 Jahre in 2024.
Hierzulande ist dies bereits heute für Jahrgänge ab 1964 beschlossene Sache. Für die Jahrgänge zwischen 1952 und 1964 erfolgt die schrittweise Anhebung vom 65. aufs 67. Lebensjahr.
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