Wer eine Erwerbsminderungsrente beantragt, muss im Schnitt über vier Monate auf einen Bescheid von der Deutschen Rentenversicherung warten, berichtet der "Bayerische Rundfunk" (BR).
Die Bearbeitungsdauer habe sich in den vergangenen zehn Jahren um mehr als ein Drittel verlängert, so der Sender und beruft sich auf Angaben aus dem Bundesarbeitsministerium.
Dem BR berichtet von konkreten Fällen, in denen Betroffene extrem lange auf eine Rückmeldung von Seiten der Rentenversicherung warten muss.
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Wie der Fall einer ehemaligen Buchhalterin aus Bayern, die mit Mitte 50 an schweren Depressionen erkrankt und arbeitsunfähig wird. Ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente wird abgelehnt.
Als sie gegen die Entscheidung Widerspruch einlegt, passiert - nichts. Seit dem Frühjahr 2018 warte die Frau auf eine Entscheidung. Als sie selbst bei der Rentenversicherung telefonisch nachhaken will, kommt sie nicht durch.
Mit dieser Erfahrung sei die ehemalige Buchhalterin nicht allein, zitiert der Sender Marian Indlekofer, Kreisgeschäftsführer beim Sozialverband VdK München. "Aus unserer Beratungspraxis können wir definitiv sagen, dass das keine Einzelfälle sind. Das ist wirklich ein Phänomen, das in ganz Bayern auftritt."
Auf den Antrag auf Erwerbsminderungsrente folge häufig ein langwieriger und zermürbender Prozess für die Betroffenen, so der Sender.
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Dabei ist es so: "Wenn Sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeitsfähig sind, soll eine Rente wegen voller Erwerbsminderung Ihr Einkommen ersetzen. Können Sie noch einige Stunden täglich arbeiten, ergänzt die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung das Einkommen, das Sie selbst noch erzielen", heißt es auf der Webseite der Deutschen Rentenversicherung.
Besonders lange dauert es bei diesen Erkrankungen
Eine wichtige Voraussetzung - neben der Erkrankung, die im Zweifel durch einen Gutachter bestätigt werden muss: Der Antragsteller darf noch nicht die Regelaltersgrenze erreicht haben, muss also zu jung sein für die reguläre Altersrente.
Überdurchschnittlich lange dauert die Bearbeitung dem BR zufolge vor allem bei Betroffenen, die an einer psychischer Erkrankung leiden, und wie die Buchhalterin aus Bayern deshalb arbeitsunfähig sind.
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Mit mehr als 40 Prozent seien psychische Erkrankungen die häufigste Ursache für eine Frühverrentung. Und in dem Bereich fehlte es der Rentenversicherung an Gutachtern.
"Wir sind verstärkt auf der Suche nach Gutachtern"
Das solle sich ändern, kündigte Jan Paeplow, Pressesprecher der Deutschen Rentenversicherung gegenüber dem BR an: "Wir sind verstärkt auf der Suche nach externen Gutachtern, die für uns die Gutachten erstellen. Darüber hinaus werden wir auch eigenes Personal einstellen, um einfach die Wartezeiten für diese Fälle zu verringern."
Wenn die Wartezeit existenzgefährdend wird
Doch bis es soweit ist, bleibe ihr womöglich nicht mehr genug Zeit, befürchtet die ehemalige Buchhalterin, die in drei Monaten kein Arbeitslosengeld mehr bekomme, so der BR.
Wovon sie danach leben soll, wenn ihr Antrag auf Erwerbsminderungsrente bis dahin nicht genehmigt sei - ist ungewiss: "Es ist grausam. Seit meinem 15. Lebensjahr bin ich arbeiten gewesen, bis ich einfach nicht mehr konnte", sagte sie dem Sender. "Und jetzt machen sie mir mein Leben richtig schwer. Dass ich jetzt vor Hartz IV stehe, ist irgendwie verrückt."
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