Es war im Mai 2018, da beschloss die Große Koalition die existenzielle Frage, wie die Rente nach 2025 aussehen soll, an eine Kommission auszulagern.
Diese sollte Vorschläge erarbeiten, wie der Generationenvertrag angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland „wetterfest“ gestaltet werden kann. Jetzt hat die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ ihre Ratschläge an Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SDP) übergeben. Hier nun die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist eigentlich das Problem?
Deutschlands Gesellschaft wird zunehmend älter und das hat direkte Auswirkungen auf das Rentensystem. Immer weniger aktive Arbeitnehmer müssen für die Altersvorsorge einer wachsenden Zahl von Ruheständlern aufkommen. Kamen im Jahr 1993 auf 100 Beitragszahler noch 45 Rentner, haben heute 100 Zahler 60 Rentner zu versorgen.
Der Druck auf das Rentensystem wird sich in Zukunft weiter verschärfen, da ab jetzt die Generation der Babyboomer, das sind die geburtenstarken Jahrgänge von 1955 bis 1969, in den Ruhestand geht. Zugleich steigt die Lebenserwartung, was eine längere Bezugsdauer des Altersgelds bedeutet. Das deutsche Rentensystem, darin herrscht grundsätzlich in der Politik und Fachwelt Einigkeit, muss diesen Entwicklungen angepasst werden.
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Soll sich das Rentenniveau ändern?
Bis 2025 soll das Rentenniveau nach der Empfehlung der Rentenkommission bei mindestens 48 Prozent gehalten werden. Danach aber könnte das Niveau weiter sinken als bisher erlaubt.
Vorgeschlagen ist ein gesetzliches Sicherungsniveau in einem Korridor zwischen 44 und 49 Prozent. Was das finanziell für die Rentner bedeutet, ist noch unklar. Der Begriff des Rentenniveaus bedeutet nicht, dass Rentner zurzeit 48 Prozent ihres letzten Lohns erhalten. Beschrieben wird damit das Verhältnis einer gesetzlichen Standardrente nach 45 Beitragsjahren zu den Löhnen. Das Rentenniveau, so ein weiterer Kommissionsvorschlag, soll alle sieben Jahre überprüft werden.
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Was passiert mit den Beiträgen?
Die Große Koalition hat gesetzlich festgelegt, dass bis 2025 der Beitragssatz für die Rente die 20-Prozent-Grenze nicht überschreiten darf. Derzeit liegt der Beitragssatz, also der Anteil des Bruttolohns, der an die Rentenkasse geht, bei 18,6 Prozent. Für die Zukunft schlägt die Kommission auch beim Beitragssatz eine „Haltelinie“ vor. Der Korridor hier: 20 bis maximal 24 Prozent. Der Beitragssatz könnte demnach ab 2025 bis auf 24 Prozent steigen. Auch hier soll eine Überprüfung nach jeweils sieben Jahren stattfinden.
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Was ist mit der Regelaltersgrenze?
Kaum ein Punkt hat im Vorfeld für mehr Diskussionen gesorgt als die Frage, ab wann Arbeitnehmer in Rente gehen sollen. Seit 2012 wird die Regelaltersgrenze stufenweise bis zum Jahr 2031 von 65 Jahre auf 67 Jahre angehoben. Gründe hierfür sind unter anderem die steigende Lebenserwartung und die damit einhergehende längere Zeit des Rentenbezugs. Es hatte vielfach die Forderung gegeben die Regelaltersgrenze weiter anzuheben. Dieses heiße Eisen hat die Kommission jedoch nicht angefasst. Sie empfiehlt, dass ein neu zu schaffender Alterssicherungsbeirat im Jahr 2026 eine Einschätzung abgibt, „ob und in welcher Weise die Anhebung der Altersgrenzen erforderlich und vertretbar ist“.
Sollen private und betriebliche Altersvorsorge verändert werden?
Für die meisten Menschen in Deutschland, stellt die Kommission fest, „wird auch in Zukunft zusätzliche Altersvorsorge erforderlich sein, um den bisherigen Lebensstandard im Ruhestand weiter halten zu können.“
Doch noch immer würden sich in Deutschland zu viele Menschen allein auf die gesetzliche Rente verlassen. Die Kommission sieht deshalb „Handlungsbedarf bei der zusätzlichen Altersvorsorge“. Unter anderem rät sie, die Förderung der betrieblichen Altersvorsorge für Geringverdiener stärker zu fördern und Riester-Produkte zu verbessern und zu vereinfachen. Konkret für Riester schlägt die Kommission eine staatliche Online-Plattform für Riester-Produkte mit geringen Verwaltungskosten vor.
Sollen Beamte künftig eine gesetzliche Rente erhalten?
Die Kommission empfiehlt nicht, Beamte in die Rentenversicherung einzubeziehen. Zwar gebe es Argumente, die dafür sprächen, doch gelte dies für den Aspekt der nachhaltigen Finanzierung der Rentenversicherung „eher nicht“, heißt es etwas gespreizt in dem Bericht. Gemeint ist folgende Gegenrechnung: Würden künftig auch Beamte in die gesetzliche Rente einzahlen, würde dies zwar eine Entlastung bedeuten. Dem gegenüber stehen aber hohe zusätzliche Rentenleistungen, wenn die Beamten in den Ruhestand gehen, da Beamte statistisch eine höhere Lebenserwartung haben als die Frauen und Männer der Gesamtbevölkerung.
Wie sind die Reaktionen auf die Vorschläge der Rentenkommission?
Gewerkschaften, Sozialverbände, Arbeitgeber und auch viele Politiker reagierten mit Enttäuschung bis Entsetzen auf den Bericht. Von einer „Farce"“ sprach Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband. Die Vorschläge seien zaghaft, an wirklich kritische Punkte habe man sich nicht herangetraut. Die Gewerkschaften forderten, die Haltelinie beim Rentenniveau müsse bei 48 Prozent bleiben, sonst drohten soziale Härten für Geringverdiener. Die Arbeitgeber wiederum warnten vor steigenden Beitragssätzen.
Die Junge Union (JU) kritisierte, dass es keine Antwort auf die steigende Lebenserwartung gebe. „Trotz der aktuellen Lage müssen wir erkennen, dass der Generationenvertrag so nicht zukunftsfähig ist“, sagte JU-Chef Tilman Kuban dem „Handelsblatt“. „Es ist bemerkenswert, dass die Kommission ein längeres Arbeiten einfach ausklammert, obwohl die Lebenserwartung deutlich steigt.“ Für den FDP-Rentenexperten Johannes Vogel ist der Bericht „eine vertane Chance“. CDU, CSU und SPD könnten noch immer keine Antwort auf die Frage nach einer zukunftsfähigen Rentenpolitik geben.
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Was ist mit dem Corona-Faktor?
Die Daten und Berechnungen der Kommission stammen aus der Vor-Corona-Zeit, jetzt sorgt die Krise für eine zusätzliche Unsicherheit bei der Frage, wie belastbar die Berechnungen sind. Durch den Wirtschaftseinbruch infolge der Corona-Krise könnten die Zahl der beitragspflichtigen Arbeitnehmer und das durchschnittliche Lohnniveau deutlich sinken.
Eine Analyse des Munich Center for the Economics of Aging (MEA) sagt deswegen einen beschleunigten Anstieg der Beitragssätze und einen entsprechend erhöhten Zuschussbedarf aus dem Bundeshaushalt voraus.
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