Vor gut zwei Monaten hat das Bundeskabinett die Grundrente beschlossen. Ab 2021 sollen rund 1,3 Millionen Menschen mit kleinen Renten Aufschläge auf ihre Bezüge erhalten.
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In einem Gutachten im Auftrag der "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) hat Franz Ruland, ehemaliger Chef der Deutschen Rentenversicherung, die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ausgearbeiteten Pläne analysiert.
Die Initiative wirbt nach eigenen Angaben für die "Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft" und wird von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektro-Industrie finanziert.
"Grundrente verstößt gegen Grundgesetz"
In dem Gutachten kommt der einstige Rentenversicherungschef zu dem Ergebnis: Die Grundrente verstoße in mehreren Punkten gegen das Grundgesetz. "Das gesamte vorgelegte Konzept" sei verfassungswidrig, heißt es vonseiten der INSM.
Dies gelte
- für die Regelung, wer die Grundrente beziehen darf und wer nicht
- die Art und Weise, wie die Höhe der Grundrente berechnet wird
- was die Voraussetzungen eines Freibetrags in der Grundsicherung sind
- wie Einkommen angerechnet werden.
Die Grundrente sei verfassungswidrig und damit "nach entsprechender Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht nichtig", so Ruland, der vor der Annahme des Gesetzentwurfs warnt.
So breche die Grundrente in dreifacher Weise mit dem Äquivalenzprinzip, so Ruland in seinem Gutachten.
Das sind Kritikpunkte
Zum einen, da Versicherte trotz ungleicher Beitragsleistung gleich hohe Renten erhalten. Zum anderen, da Versicherte trotz gleicher Beitragsleistungen wegen der Grundrente unterschiedlich hohe Renten erhalten. Und drittens, Versicherte trotz höherer Beitragsleistungen wegen der Grundrente niedrigere Renten erhalten als Versicherte mit geringerer Beitragsleistung.
Die Lebensleistung werde nicht gewürdigt, kritisiert Ruland. Das Gegenteil sei der Fall: "Je größer die Lebensleistung, desto geringer die Grundrente."
Auch die im Grundgesetz verankerte Gleichbehandlung von Sozialhilfebedürftigen werde gebrochen, etwa bei der Gewährung von Freibeträgen in der Grundsicherung. Demnach dürfen Grundsicherungsempfänger nur dann Freibeträge für ihre Renten beanspruchen, wenn sie mindestens 33 Jahre Grundrentenzeit vorweisen können.
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Ruland sieht zudem einen Verstoß gegen den Schutz der Ehe, da die Einkommensanrechnung nur auf den Ehegatten beschränkt wird. Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft werden laut Ruland "ganz bewusst nicht mit erfasst". Dies benachteilige Ehen gegenüber nichtehelichen Lebensgemeinschaften.
"Noch ist es nicht zu spät, um vielen Betroffenen eine bittere Enttäuschung zu ersparen", sagt INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr und appelliert an die Bundestagsabgeordneten, die Grundrente zu stoppen. Ganz abgesehen davon, dass die Finanzierung noch nicht in trockenen Tüchern sei.
Seine Forderung: "Ein Renten-Freibetrag für alle Grundsicherungsempfänger wäre eine bessere, wirksamere und vor allem verfassungskonforme Alternative."
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