Bei neurologischen Erkrankungen wie der Alzheimer, Parkinson oder Multipler Sklerose sterben kontinuierlich Nervenzellen des Gehirns, wodurch es zu Erinnerungslücken, Sprachstörungen, Stimmungsschwankungen oder reduzierter Bewegungsfähigkeit kommt.
Nervenzellen werden aktiviert
Dem Team um Roland Beisteiner von der Medizinischen Universität Wien gelang, erstmals mit Ultraschall jene Nervenzellen zu aktivieren, die zur Regeneration von Hirnfunktionen beitragen. Erste Daten zeigen nach sechsjähriger Entwicklungszeit, dass sich so die Leistung des Gehirns verbessern lässt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in "Advanced Science".
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Schmerzfrei und nicht-invasiv
Die neue Methode nennt sich transkranielle Pulsstimulation mit Ultraschall (TPS). Sie ermögliche, "mit einem Ultraschall-Puls direkt am Schädelknochen, nicht-invasiv, schmerzfrei und bei vollem Bewusstsein in alle Bereiche des Gehirns vorzudringen und dort ganz gezielt Hirn-Areale anzusteuern und diese zu aktivieren", erklärt Beisteiner in einer Mitteilung.
TPS: Präzisionsmedizin im Gehirn
Dabei wird vom Gehirn des Patienten mittels Magnetresonanz eine exakte "Landkarte" erstellt. Mit dem Aktivierungspuls, der vom Ultraschallgerät ausgeht und drei bis fünf Millimeter breit und circa drei Zentimeter lang ist, könne das gewünschte Areal punktgenau anvisiert werden.
"Bei jedem Patienten können diese Areale anders liegen. Dank eines Navigationssystems kann der behandelnde Neurologe am Bildschirm genau mitverfolgen, wo der Puls ansetzen muss und alles genau steuern", erläutert Beisteiner.
Was der Ultraschall bewirkt
Der TPS-Puls führe zu kurzfristigen Membranveränderungen an den Hirnzellen, wodurch die Konzentration von Transmittern und anderen biochemischen Stoffen lokal verändert werde. In der Folge würden Nervenzellen sowie der Aufbau kompensatorischer Netzwerke aktiviert, die die erkrankte Hirnfunktion verbesserten und die Gedächtnisleistung steigerten. Dies sei in umfangreichen Laborstudien gezeigt werden, heißt es in der Mitteilung.
Stimmung kann sich aufhellen
Einige Patient*innen berichteten demzufolge auch von einer deutlichen Stimmungsverbesserung. Es falle wieder leichter, körperlich aktiv zu sein und sich an Unterhaltungen aktiv zu beteiligen.
"Es ist, als ob man einen alten Motor wieder anwirft. Jene Nervenzellen, die noch aktivierbar sind, zeigen danach deutliche Verbesserungen. Dadurch wird der Leistungsabfall gebremst", erläutert Beisteiner.
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Gezielte Stimulation bisher nur per OP möglich
TPS komme als Behandlungsmöglichkeit nicht nur bei Alzheimer, Parkinson oder Multipler Sklerose in Frage, sondern bei allen Erkrankungen, die sich durch Aktivierung noch funktionierender Nervenzellen verbessern lassen.
Mit den bisher zur Verfügung stehenden elektromagnetischen Methoden sei die nötige gezielte und tiefgehende Stimulation nicht möglich gewesen. In schweren Fällen werde zunehmend eine invasive Methode angewandt, bei der Stimulationselektroden in tiefe Hirnareale eingesetzt werden - Deep Brain Stimulation genannt. Diese sei allerdings mit einer langwierigen Operation verbunden. Die Forscher hoffen, dass TPS auch invasive Verfahren in Zukunft teilweise ersetzen kann.
Dabei biete TPS eine "Zusatzchance" für Betroffene, da alle laufenden Therapien mit Medikamenten und Physio- oder Ergotherapie weitergeführt werden können.
Verbesserte Leistung bereits nach sechs Sitzungen
Für die Verbesserungen der Gehirnleistung reichten in der klinischen Pilotstudie sechs Sitzungen zu je einer Stunde und das im Verlauf von zwei Wochen.
Sollten sich die Pilotergebnisse bestätigen, bedeute dies ein Durchbruch bei den Behandlungsmöglichkeiten für Hirnerkrankungen. Bevor diese Methode aber in den regulären Einsatz in der Klinik gelangen kann, sind allerdings weitere wissenschaftliche Studien zur Evaluierung der Ergebnisse notwendig.
Für weitere Studien sucht die Universitätsklinik für Neurologie in Wien Proband*innen, die Alzheimer- oder Parkinson-Diagnosen, aber sonst keine Hirnerkrankungen haben. Anfragen unter 01-40400-34080.
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