Dosensuppen, Nudeln und Toilettenpapier sind nicht das einzige, was derzeit stark nachgefragt wird. Angesichts des sich rasend schnell ausbreitenden Coronavirus gibt es nicht wenige, die einen Großeinkauf in der Apotheke machen. Aus Angst, dass die Ware dort knapp werden könnte.
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Dabei sei das völlig unnötig, beruhigen Apotheker in Deutschland. "Es gibt keinen Grund zur Sorge, und auch keinen Grund, Arzneimittel zu hamstern", sagt Friedemann Schmidt, Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA).
"Keine zusätzlichen Probleme durch Corona"
Mit Lieferengpässen habe die Branche bereits seit Jahren zu tun. "Zusätzliche Probleme, die auf den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie zurückzuführen wären, stellen wir aber nach wie vor nicht fest", so ABDA-Präsident Schmidt.
Es sei natürlich nicht ausgeschlossen, dass die Auswirkungen der Krise im Laufe des Jahres auch in der Arzneimittelversorgung zu spüren seien.
Doch: "Derzeit können wir die Patienten ordentlich versorgen."
Wer überlegt, sich jetzt einen Mehrmonats-Vorrat an Medikamenten zuzulegen, sollte bedenken: Toilettenpapier zu horten ist das eine. Wichtige Arzneimittel sind nochmal eine ganz andere Sache, schließlich geht es hier um die Gesundheit.
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Ein bedrückendes Gedankenspiel: Was, wenn irgendwann und im schlimmsten Fall, Medikamente gegen Schmerzen, Fieber und Entzündungen am falschen Ort sind?
"Da bricht das beste System zusammen"
Wenn sie unberührt in privaten Arzneischränkchen in den Badezimmern lagern - während derjenige keine mehr in der Apotheke bekommt, der sie ganz dringend benötigt?
"Wenn jeder anfängt, Medikamente zu horten, die er nicht braucht, bricht auch das beste System zusammen", hatte kürzlich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" gewarnt.
"Das System beruht auf Vertrauen, und jeder trägt dazu bei, dass dieses Vertrauen erhalten bleibt."
Schweiz: Bestimmte Medikamente rationiert
Damit das System angesichts zunehmender Hamsterkäufe nicht zusammenbricht, werden in der Schweiz jetzt bestimmte Medikamente rationiert. Betroffen sind neben verschreibungspflichtigen Produkten auch fiebersenkende, schmerzlindernde und entzündungshemmende Arzneimittel.
Nur eine Packung pro Kunde und Einkauf erhalten unsere Nachbarn neuerdings etwa bei Arznei, in der die Wirkstoffe Ibuprofen und Paracetamol enthalten sind.
Insgesamt 16 Wirkstoffe stehen auf der Rationierungsliste, die der Schweizer Bundesrat am Mittwoch abgesegnet hat - diese Stoffe sind unter anderem in beliebten Produkten wie Aspirin oder dem Schmerzmittel Dafalgan.
Bereits seit Wochen seien in der Schweiz Grippe- und Schmerzmittel sowie Präparate zur Stärkung des Immunsystems stark nachgefragt, berichtet die "NZZ".
Kunden horten unnötige Reserven
Kunden hätten "nach unnötigen Reserven verlangt", zitiert die Zeitung eine Sprecherin des Apothekerverband Pharmasuisse. Deshalb seien einige Medikamente nicht mehr zu bekommen. Doch nicht etwa aufgrund eines Mangels. Sondern weil die Lieferkette beeinträchtigt gewesen sei. Wegen der hohen Nachfrage sei man "nicht mehr nachgekommen".
Lieferengpässe, Hamsterkäufe - Zwei unterschiedliche Probleme
Ganz wichtig: Eine Maßnahme wie jetzt die in der Schweiz hat nichts zu tun mit Lieferengpässen, wie sie für verschiedene Medikamente bestehen.
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Damit haben Apotheker bereits seit einiger Zeit zu kämpfen, ganz unabhängig von und bereits lange vor der Ausbreitung des Coronavirus. Auch in Deutschland.
Hamsterkäufe sind vermutlich eher nicht der Grund für Lieferengpässe. Die Ursache sind vielmehr häufig "Produktionsprobleme" oder eine "angespannte Marktsituation".
Aktuell sind 309 Arzneimittel schwer zu bekommen
Diese Gründe tauchen - neben anderen - auf in der Liste des "Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte" (BfArM), in der all jene Medikamente aufgeführt werden, bei denen es zu Lieferengpässen kommt.
Aktuell werden in dieser Datenbank 309 Arzneimittel genannt. Und das sind nur die, die von Pharmaunternehmen freiwillig gemeldet werden.
All diese Pharma-Produkte sind schwer und nicht binnen zwei Wochen zu bekommen. Teilweise müssen Patienten monatelang darauf warten.
Lieferengpass bei Krebsmittel, Herzmedikament, Blutdrucksenker
Lieferengpässe gibt es dabei unter anderem auch bei wichtigen Medikamenten, auf die Schwerkranke angewiesen sind - etwa verschiedene Antibiotika (Penicillin und Amoxicillin), Krebsmedikamente wie Vinorelbin und Docetaxel.
Aber auch die Blutdrucksenker Candesartan und Valsartan sowie das Herzmedikament Diltiazem stehen auf der Liste.
Für viele Produkte gilt dies nicht erst seit Ausbruch der Coronakrise. Schon länger werden einige Medikamente hierzulande knapp.
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Doch auch hier wirkt sich die Coronakrise aus: Experten befürchten, dass sich die Versorgung in Deutschland mit solchen ohnehin knappen Medikamenten durch die Lage in China verschärfen wird.
Weil in Deutschland, das sich früher mal als "Apotheke der Welt" rühmen konnte, schon lange keine Arzneimittel mehr hergestellt werden. Aus Kostengründen wurde die Produktion in Niedriglohnländer verlagert. Das rächt sich jetzt.
Denn Deutschland ist bei Medikamenten abhängig von Asien, vor allem von China. Hier werden zahlreiche Wirkstoffe produziert, die in unseren Arzneimitteln sind. Antibiotika werden fast ausschließlich dort hergestellt. Auch in Wuhan, der von dem Coronavirus besonders geplagten Stadt.
Wegen der Quarantäne-Vorschriften in dem Land, die jetzt langsam wieder aufgehoben werden, standen die Fabriken in China wochenlang still.
Das sind mögliche Konsequenzen
Kommt es, wie jetzt wegen des Corona-Ausbruchs, zu Problemen in der Produktion, wird die Lieferkette unterbrochen.
Das habe "unmittelbare Konsequenzen" sagte Christoph Stoller, Generalmanager von Teva/Ratiopharm in Deutschland und Österreich, in der sehenswerten Dokumentation "Mangelware Medizin?" (verfügbar in der ZDF-Mediathek).
Wie die aussehen? "Dann kann es sein", sagt Stoller, "dass in drei bis sechs Monaten die ersten Patienten keine Antibiotika mehr bekommen".
Mit womöglich tödlichen Folgen.
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