In Sachen Mundschutz haben die Experten des Robert Koch Instituts ihre Einschätzung geändert. Sie raten jetzt doch auch allen Menschen ohne Symptome, vorsorglich einen Mundschutz zu tragen. Bisher hatte die Infektionsschutz-Behörde dies nur Patienten mit Atemwegserkrankungen empfohlen.
Bereits seit einiger Zeit sieht man auch bei uns immer häufiger Menschen, die draußen mit Mundschutz unterwegs sind.
Mundschutz-Pflicht in ganz Deutschland - nicht komplett vom Tisch
Bis dahin kannte man das höchstens von asiatischen Touristen. Und wusste nie so genau: Wollen sie sich damit selbst schützen? Oder uns, vor ihnen?
In der Corona-Krise mit ihren weitreichenden Folgen, die wir uns bis vor kurzem nie und nimmer hätten vorstellen können, ist es plötzlich gar nicht mehr so abwegig: Dass wir womöglich alle bald nur noch mit Mundschutz einkaufen gehen dürfen.
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Aktuell ist zwar bundesweit keine Mundschutz-Pflicht geplant. Doch völlig vom Tisch ist dies auch nicht.
Mit diesem einfachen Stück Papier-Vlies sind praktische Probleme verbunden: Bringt ein Mundschutz etwas? Und wenn ja: Welcher? Wo bekomme ich überhaupt einen her, schließlich klagen selbst Ärzte und Pflegekräfte seit Wochen über einen Mangel an Schutzmasken?
Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Schutzmasken, Mundschutz - Was ist der Unterschied?
Um zu verhindern, dass das Coronavirus über die Schleimhäute von Mund oder Nase in den Körper gelangt, gibt es grob gesagt zwei unterschiedliche Schutz-Accessoires: Mundschutz und Sicherheitsmasken.
Mund-Nasen-Schutz
Seit Beginn der Corona-Epidemie fragen viele Kunden in Apotheken nach Atemschutzmasken, die sie vor ihrem Mund tragen wollen. Mit diesem Stück Papier und Stoff samt Gummibefestigung meinen sie das, was Ärzte als "Mund-Nasen-Schutz" (MNS) bezeichnen. Mediziner sprechen manchmal auch von OP- oder chirurgischen Masken.
Der Mund-Nasen-Schutz - umgangssprachlich: Mundschutz - ist in der aktuellen Lage genau das Schutzutensil, das für die breite Bevölkerung in Frage kommt.
Anders sieht das bei den Spezialmasken aus, die ausschließlich dem medizinischen Personal vorbehalten sein sollten.
FFP-Masken/Sicherheitsmasken
Mediziner, die mit hochansteckenden Patienten zu tun haben, tragen über Nase und Mund so genannte FFP-Masken. FFP steht für "Filtering Face Piece", zu Deutsch: ein Gesichtsstück mit Filter.
Auch wer etwa als Handwerker oder Bauarbeiter mit gesundheitsschädlichem Staub zu tun hat, setzt zum Schutz solche "partikelfiltrierenden Halbmasken" auf.
Dank des in den Sicherheitsmasken integrierten Filters wird verhindert, dass Erreger oder gefährliche Schadstoffe eingeatmet werden.
FFP-Masken werden in drei Schutzklassen gegliedert: FFP1, FFP2, FFP3. Je besser der Filter - je feinere Partikel er also rausfiltern kann - desto höher die Schutzklasse.
Ärzte, die bei der Behandlung von Patienten solche medizinischen Spezialmasken tragen, müssen sie alle paar Stunden austauschen.
Denn durch die Atemluft werden die Masken feucht, der Filter funktioniert nicht mehr richtig, die Masken werden nutzlos.
Auf der Straße sollte niemand damit herumlaufen
Doch mit Blick auf das Coronavirus spielt all dies für die meisten von uns ohnehin keine Rolle.
Denn auf der Straße sollte niemand mit FFP-Masken herumlaufen - das wäre unsinnig und die reinste Verschwendung in Zeiten, da dieser Schutz in den Notaufnahmen der Krankenhäuser so dringend für die Versorgung von Corona-Patienten benötigt wird.
Mund-Nase-Bedeckung
Seit einiger Zeit gibt es auch bei uns immer mehr Menschen, die sich selbst einen Mundschutz nähen. Für dieses selbstgemachte Schutz-Utensil haben jetzt auch die Experten des Robert Koch Insituts eine eigene Bezeichnung gefunden: "Mund-Nase-Bedeckung" nennt RKI-Chef Lothar Wieler den selbstgeschneiderten Gesichtsschutz.
Deren Wirksamkeit sei zwar schwer einzuschätzen, da die Qualität und das Gewebe zu unterschiedlich seien. Dennoch könne die "Mund-Nase-Bedeckung" dabei helfen, dass Tröpfchen aus dem Rachenraum "nicht so weit fliegen". Und damit das Risiko minimieren, jemanden anzustecken.
Wichtig sei jedoch, die Bedeckung als "Add-on" zu sehen - als einen weiteren Baustein, zusätzlich zu den enorm wichtigen Hygiene- und Abstandsregeln.
Wieler: "Der Mundschutz darf nicht dazu führen, dass Händewaschen und Abstand halten vernachlässigt werden."
Bewahrt mich ein Mundschutz vor einer Infektion mit dem Coronavirus?
Experten sind sich einig: Ein Mundschutz schützt denjenigen, der ihn trägt, nicht davor, das Virus aufzuschnappen. Studien legen dies zumindest nicht nahe.
"Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz, dass man sich durch Masken selber schützen kann", sagt etwa Christian Drosten, Chef-Virologe an der Berliner Charité und einer der führenden Experten in Sachen Coronavirus in Deutschland.
Um zu verstehen, warum das so ist, kann man sich dies vorstellen: Wenn ein Infizierter hustet oder niest, schleudert er Aerosole, also feinen Flüssigkeitsnebel, etwa 1,5 bis 2 Meter weit in seine Umgebung. Deshalb auch der empfohlene und jetzt vorgeschriebene Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen Menschen.
Auch über die Luft kann man sich mit dem Virus anstecken
Das Aerosol besteht aus Tröpfchen, darin sind Mengen an Virus. Die Tröpfchen stehen ein paar Minuten in der Luft, bevor sie zu Boden fallen.
Doch: "Wenn es eine Luftbewegung gibt", erklärte Christian Drohten in dieser Woche in seinem NDR-Poscast "Corona Virus Update", "wird das Aerosol etwas weitertransportiert". Und damit auch das Virus.
Menschen in der Nähe könnten ihm schwer ausweichen, sagt Drosten. "Deshalb bringen Gesichtsmasken kaum etwas zum Eigenschutz im Supermarkt."
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Denn der Mundschutz liegt meist nicht komplett dicht am Gesicht an. Vor allem seitlich, im Bereich der Wangen, wölbt sich häufig eine Öffnung. Beim Einatmen kann es passieren, dass "ein etwas länger im Raum stehendes Aerosol" (Drosten) über dieses Einfallstor in den Körper gelangt.
Auch der Stoff, aus dem der Mundschutz besteht, ist meist zu grob für das unvorstellbar winzige Virus.
Ist es dann überhaupt sinnvoll, einen Mundschutz zu tragen?
Viele Experten antworten auf diese Frage inzwischen - lange sahen dies viele anders - angesichts des grassierenden Coronavirus mit einem klaren: Ja!
Dies sei "eine ganz wichtige Maßnahme", sagt der Virologe Christian Drosten.
"Aus medizinischer Sicht halte ich eine solche Bestimmung persönlich für sehr sinnvoll“, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kürzlich dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Bei vielen sei es zu einem Umdenken gekommen: "In der Tat wurde die Bedeutung von Masken zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus anfänglich stark unterschätzt", sagte Lauterbach.
Schutz von Menschen in der Umgebung
Denn das Schutzvlies hält Tröpfchen zurück, wenn man hustet oder niest. Was nicht einem selbst zugute kommt - aber anderen Menschen in der Umgebung.
"Deswegen ist er für den Schutz von anderen von Relevanz", sagte kürzlich Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch Instituts (RKI).
Mundschutz als "höfliche Geste"
Genau das ist der entscheidende Punkt: Ein Mundschutz schützt andere.
Wer einen Mundschutz trage, signalisiere den Menschen in seiner Umgebung: "Ihr seid vor mir geschützt", sagt Drosten, der in dieser Maßnahme eine "höfliche Geste" anderen gegenüber sieht.
Außerdem: Je mehr Menschen auf diese Weise an andere denken, desto mehr wird jeder einzelne vor dem Virus geschützt.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt übrigens nach wie vor, dass gesunde Menschen nur dann einen Mundschutz tragen sollten, wenn sie sich um einen Covid-19-Patienten kümmern. Ansonsten nicht.
Nicht jeder Infizierte hat Symptome
Wobei gesund im Fall des Coronavirus so eine Sache ist. Denn das Tückische bei Sars-CoV-2 ist, dass nicht jeder Infizierte Symptome entwickelt. Also gar keinen Anlass hat zu glauben, dass er sich angesteckt haben könnte. Doch auch Menschen ohne Symptome, die den Corona-Erreger in sich tragen, können ihn ausscheiden - und damit andere anstecken.
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Hinzu kommt: Corona-Patienten sind bereits infektiös, lange bevor sie Symptome entwickeln. Virologen haben berechnet, dass Infizierte im Schnitt zwei Tage vor dem Auftreten von coronatypischen Symptomen andere anstecken können. Zwei Tage also, bevor sie selbst merken, dass sie krank sind.
Einer aktuellen Studie zufolge werden 44 Prozent der Corona-Patienten von jemandem infiziert, der keine oder noch keine Symptome hat.
So gesehen: Kann ein Mundschutz durchaus sinnvoll sein.
Nützt ein selbst gebastelter Mundschutz überhaupt etwas?
Medizinischer Mundschutz ist rar und in Apotheken derzeit nicht mehr zu bekommen. Wegen dieses Mangels kursieren im Netz gerade zahlreiche Anleitungen für einen selbstgeschneiderten Mundschutz. Mit ein wenig Stoff, Nähmaschine und Gummiband ist es für Geübte relativ leicht, sich eine solche "Mund-Nase-Bedeckung" zu nähen.
Selbst der Virologie-Professor Drosten findet: "Das ist eine gute Idee."
Wer Zeit und Lust hat, kann sogar gleich mehr Mundschutz herstellen als er für den Eigenbedarf braucht - und ihn anderen zur Verfügung stellen, die dringend einen benötigen.
Auf der Webseite Maskmaker werden Angebot und Nachfrage zusammengebracht - und unterschiedliche Näh-Anleitungen gibt es hier auch.
Wie setze ich einen Mundschutz richtig auf?
Einigen Spott zog kürzlich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet auf sich - als er bei einem Termin in Aachen zwar einen Mundschutz trug. Aber völlig falsch: Das Vlies bedeckte nur seinen Mund, nicht aber die Nase.
Denn umgangssprachlich wird das Schutz-Utensil zwar als Mundschutz bezeichnet, korrekt aber als: Mund-Nase-Schutz (siehe oben).
Und das aus gutem Grund: Es ist wichtig, gerade auch die Nase zu bedecken. Denn das Virus, das zu Beginn der Infektion im Rachen sitzt und dann in die Lunge wandert, kann auch durch Niesen in die Umgebung geschleudert werden.
Wichtig ist es also, Mund und Nase zu bedecken.
Prompt zeigte Laschet in einem kurzen Video auf Twitter, wie man den Mundschutz korrekt anlegt.
Was muss ich beim Tragen eines Mundschutzes beachten?
Häufig kann man Menschen mit Mundschutz dabei beobachten, wie sie diesen immer wieder mal vom Mund schieben, unterhalb des Kinns baumeln lassen und den Schutz dann wieder über den Mund ziehen.
Doch das ist kontraproduktiv, warnen Ärzte. Wer einen Mundschutz trägt, sollte so wenig wie möglich mit den Händen daran herumfummeln.
Denn zum einen können mit den Händen auch Erreger an den Mundschutz geraten.
Im Video: Virus-Alarm! Jeder Zweite wäscht seine Hände falsch
Zum anderen atmet jeder Mensch dauernd Bakterien und Viren aus. Der warme, abgedeckte Bereich unterhalb des Mundschutzes ist dafür die perfekte Brutstätte. Dort sammeln sich die Mikroorganismen.
Bedeutet: Wenn man den Mundschutz runterschiebt, bleiben diese Bakterien und Viren an den Händen haften. Und können auf andere Menschen übertragen werden, Stichwort: Schmierinfektion (Kontaktinfektion).
Deshalb
- gut die Hände waschen, bevor man den Mundschutz aufzieht
- den Mundschutz sorgfältig anlegen, so dass er gut sitzt
- anschließend nicht mehr ins Gesicht fassen
- nach dem Abnehmen des Schutzes gut die Hände waschen
Wo gilt Mundschutz-Pflicht?
Als erste Großstadt in Deutschland hat Jena eine Maskenpflicht eingeführt. In der thüringischen Stadt muss jeder einen Mund-Nasen-Schutz tragen, der einkaufen geht, Busse oder Trambahnen nutzt oder in öffentlichen Gebäuden unterwegs ist.
Für Einkäufer in Supermärkten hat auch Österreich einen solchen Schutz verpflichtend gemacht. Bevor sie den Laden betreten, sollen Kunden einen Mund-Nasen-Schutz erhalten und diesen aufziehen.
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