Wegen dieser heiklen Angelegenheit sollen schon Freundschaften zerbrochen und Geschäftskontakte eingeschlafen sein. Dabei geht es eigentlich nur um ein Paar Schuhe. Und die Frage: Ist es unhöflich, wenn Gastgeber ihre Gäste auffordern, die Schuhe auszuziehen, bevor sie die Wohnung betreten? Oder ihr gutes Recht?
Aus der anderen Perspektive gefragt: Ist es unhöflich, wenn Gäste nicht von sich aus anbieten, die Schuhe auszuziehen?
Diese Frage spaltet die Menschen
Schwierige Fragen. Auf die es keine eindeutige und damit auch keine richtigen Antworten gibt.
Was also tun? Wenn etwa, wie jetzt in der Vorweihnachtszeit besonders häufig, eine Einladung zu einem festlichen Essen im privaten Rahmen ins Haus flattert. Wenn auch noch die Witterung, also dreckige und nasse Schuhe, die Sache nicht einfacher machen.
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Eine Lösung findet sich auch nicht im Knigge, dem Ratgeber für gute Umgangsformen.
Denn: „Es gibt dazu keine klaren Regeln“, sagt Inge Wolff, die Vorsitzende des Arbeitskreises Umgangsformen International (AUI) und Präsidentin des Bundesverbands für AUI-Business-Knigge-Training und Coaching.
Und bringt auf den Punkt, was das Problem so schwierig macht: „Natürlich haben Gastgebende das Recht, darum zu bitten, dass Gäste ihre Straßenschuhe ausziehen. Aber die Gäste haben auch das Recht, zu sagen: Ich laufe doch nicht im Cocktailkleid und in fremden Puschen herum.“
Andere Länder, andere Sitten
In anderen Ländern, in Japan etwa oder Russland, sei das einfacher. Denn dort sei es üblich, die Schuhe vor dem Betreten einer fremden Wohnung auszuziehen. Eine Selbstverständlichkeit, die niemand in Frage stelle. Und die deshalb dort auch kein Problem sei.
Anders in Deutschland. Da spalten sich die Menschen in zwei Lager, mitunter entlang geographischer Grenzen. So soll es im Osten Deutschlands üblicher sein als im Westen, die Schuhe vor der Tür einer fremden Wohnung auszuziehen.
„Je gespaltener darüber die Meinungen sind“, sagt Inge Wolff, „umso wichtiger ist es, eine tragbare Lösung für das Problem zu finden“.
Ist es unhöflich, wenn Gastgeber ihre Gäste bitten, die Schuhe auszuziehen?
Ja, weil das den Gästen unangenehm sein könnte. |
44.3 % |
Nein, es ist ihr gutes Recht, das ist schließlich ihre Wohnung. |
55.7 % |
Dass dies in der deutschen Gesellschaft bisweilen ein Problem ist, das ist auch den Experten für korrekte Umgangsformen von der AUI nicht verborgen geblieben. Sie haben darüber diskutiert – und eine Empfehlung ausgearbeitet.
Ihr Kompromissvorschlag sieht so aus: Wer zu sich nach Hause einlade, soll einfach bereits in der Einladung – ob nun mündlich oder schriftlich – freundlich darauf hinweisen, dass die Schuhe bitte ausgezogen werden sollen.
Das raten Benimm-Experten
Das sei „eine nette Geste und äußerst praktikabel“, findet die Benimm-Expertin Inge Wolff. „Dann können sich alle darauf einstellen und entscheiden: Nehme ich die Einladung unter diesen Bedingungen an, oder nicht.“
Sie selbst hat übrigens noch nie von ihren Gästen verlangt, die Schuhe auszuziehen. Aber das sei „Ansichtssache“. Sie könne verstehen, wenn andere Menschen darauf bestehen – ob nun aus Angst vor Schmutz oder Krankheitserregern, oder aus Sorge um den teuren Parkettboden.
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Auch Hausschuhe für Gäste oder Überschuhe aus Filz, so genannte Schlosspantoffeln, die über die Schuhe gezogen werden, könnten eine Lösung sein.
Doch ein Ratschlag liegt der Benimm-Expertin besonders am Herzen: „Redet mehr miteinander“, sagt sie. „Das ist viel besser als den Mund zu halten und zu denken: Der andere wird schon ahnen, was ich möchte“.
Wenn die Menschen offener miteinander kommunizieren würden, ließen sich viele Probleme leichter aus der Welt schaffen, davon ist Inge Wolff überzeugt.
Was natürlich nicht nur für die heikle Schuh-Frage gilt.
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